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Nordkorea: Atombomben, Juche und Eishockey
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09.06.2009

Nordkorea: Atombomben, Juche und Eishockey

Autor: Marc Rohde


Die Demokratische Volksrepublik Korea, auch als Nordkorea bekannt, ist nach außen hin ein etwas gruseliger Staat. Selten dringen Nachrichten aus dem Stalinistischen Land nach außen und wenn, dann sind es zumeist keine guten Botschaften: hungernde Menschen, durch Unwetter zerstörte Ernten und immer wieder Säbelrasseln in Richtung Südkorea. Jüngst hat das Land durch einen erneuten Atombombentest und die Verurteilung amerikanischer Journalistinnen auf sich aufmerksam gemacht. Nordkorea ist trotzdem eine Reise Wert, haben sich der kanadische Geschäftsmann Ray Plumer und seine Eishockeyfreunde aus dem benachbarten China gedacht, und waren im Herbst 2008 auf einer Tour, die zuvor keine andere Eishockeymannschaft unternommen hat – weder Profis noch Amateure.

Ray und seine Jungs, zumeist in Peking ansässige Kanadier, Finnen und Schweden, hatte schon der Volksrepublik den Eishockeysport näher gebracht, haben mit der Mongolei einen fast weißen Flecken auf der Eishockeylandkarte getilgt und suchten im asiatischen Raum nach einer neuen Herausforderung. Die Idee, mit dem Eishockeyteam, dass das Format einer etwas besser geführten Kneipenmannschaft hatte, eine Reise ins unbekannte Nordkorea zu unternehmen war bereits Ende der 90er Jahre geboren. 2001 hatte allerdings der Zusammenstoß eines amerikanischen Spionageflugzeugs mit einem chinesischen Kampfjet über dem Südchinesischen Meer und folgenden diplomatischen Spannungen ein Trip nach Nordkorea unmöglich gemacht. Drei Jahre später mangelte es den Kanadiern an Spielern und so musste man bis 2008 warten, um mit Unterstützung weiterer Geschäftsleute, die in Shanghai ihren Arbeitsplatz hatten, endlich die lang ersehnte Reise antreten zu können. Diesmal hatte man sogar zwei Fans an Bord.

Ray arbeitete fleißig um die Kontakte in den Norden des koreanischen Halbinsel zu intensivieren. Zusammen mit einem Reiseveranstalter gelang es über Umweg zwei Spiele gegen die nordkoreanische Nationalmannschaft zu organisieren. Das grenzte, mit dem Blick auf die Abschottungspolitik des kommunistischen Regims in Pyöngyang, schon an ein Wunder. Kein anderes Land auf der Welt hält seine Bevölkerung und somit auch Sportler so streng unter Kontrolle wie Nordkorea. Das zeigte sich nicht nur bei der Weltmeisterschaft der Division III in Luxemburg, im Frühjahr 2008. Nordkorea war nach einem weiteren Jahr des Boykotts wieder zu Gast bei einer WM, doch eine Genussreise war es nicht. Die nordkoreanische Staatssicherheit sorgte dafür, dass der Kontakt zur Außenwelt so gering wie möglich blieb. Fernseh- und Radiogeräte wurden aus den Hotelzimmern ausgebaut und mit einem Blick auf die Tribüne hatte man selbst während des Turniers den Eindruck, dass auf einen Spieler drei Bewacher kamen. Ein verletzter Spieler wurde mit einem Geleitschutz von zwei „Betreuern“ und einem „Co-Trainer“ ins nahe gelegene Krankenhaus gebracht. Eine Republikflucht war damit so gut wie ausgeschlossen. Umso erstaunlicher also die Tatsache, dass es Ray gelang, private Eishockeyspiele in Nordkorea zu organisieren.

Im Sommer 2008 war es dann so weit. Plumer und seine Freunde saßen im Flugzeug, auf dem Weg von Peking nach Pyöngyang. Dort angekommen wurde den Jungs erstmal das Handy abgenommen, denn Mobiltelefone sind im Norden Koreas verboten. Immerhin hatten die Zöllner an der mitgebrachten Eishockeyausrüstung nichts auszusetzen gehabt. Nach dem Hotel Check-In sollte es auf eine Besichtungstour durch die Stadt gehen, allerdings nicht ohne Begleitung. Die Begleiter etwas nervös, auch weil die Kanadier mit ihren Jerseys bestückt doch sehr auffielen. Immerhin passten sich die Koreaner ihren Gästen an. Die Melodie des Klassikers „Hockey Night in Canada“ wurde von Begleiterin Pak in Noten niedergeschrieben, „um es dann zu Hause auf dem Klavier nachspielen zu können.“

Zur Einstimmung auf die beiden Matches gab es für die Gäste die heroische und erfolgreiche Vertreibung des Aggressors und ehemaligen Besatzers Japan. So aufregend die Massenveranstaltung mit 10.000 Akteuren, so beeindruckend die Eissportstätte der nordkoreanischen Hauptstadt. Ein Eistempel offenbarte sich den Gästen. Das Stadion könnte locker 9.000 Zuschauern Platz bieten, wäre Eishockey nicht so eine unbedeutende Sportart in Nordkorea. Doch irgendwas stimmte nicht. Ray sah eine amerikanische Zamboni über das eis fahren. Das passte nun gar nicht zu den noch im Staatsfernsehen vernommenen Hasstiraden dem Klassenfeind gegenüber.

Die westlichen Gäste aus China freuten sich wie die Schneekönige über die Tatsache, dass sie gegen die Nationalmannschaft spielen werden – und das auch noch mit offiziellem Schiedsrichtergespann der IIHF. Was die Kanadier vorfanden war eine sich professionell vorbereitende gegnerische Mannschaft. Die Vorbereitung von Ray und Co. bestand aus Zigaretterauchen und im Kabinengang auf und ab laufen. Obwohl die Nordamerikaner nicht aus den USA sondern dem nördlichen Nachbarn kamen, war es für die Koreaner offenbar eine Prestige- und Systemfrage, dieses Match mit aller Deutlichkeit zu gewinnen. Vier der ersten fünf Schüsse fanden ihren Weg ins Tor. Die Kanadier bekommen nur einmal Applaus auf offener Szene, als Troy Muller einen Gegenspieler zu Boden beförderte und diesen aus seiner Umklammerung nicht mehr losließ. Immerhin hatten die Zuschauer ihren Spaß, was in Nordkorea nicht oft vorkommt, außer es wird verordnet. Immerhin kamen die Gäste im zweiten Drittel dann auch zu ihrem Erfolgerlebnis und – nanu – auf einmal stand es 7:7. Aber die Koreaner waren einfach konditionell Stärker, gewannen mit 11:9. Ohne Frage, die fetteste Mannschaft hatte sich durchgesetzt.

Kein Vorwurf an die Koreaner, aber das was sie an Kraft drauf hatten, ließen sie an Leidenschaft und Liebe zum Eishockey fehlen. Wir den eingefleischten Kommunisten ist der Sport offenbar nur ein job den man erledigen muss um die Familie zu ernähren und die Welt zu sehen. Mittel zum Zweck. Echte Emotionen scheinen bei den Nordkoreanern im Eishockey nicht aufzukommen. Das zeigte sich auch bei der WM in Luxemburg, als der Turniersieg und damit verbundene Aufstieg kurz bejubelt und dann zu den Akten gelegt wurde. Ray sagte später: „Die Koreaner haben uns scheinbar für verrückt gehalten, dass wir freiwillig eine strapaziöse Reise auf und genommen haben, nur um just for fun Eishockey zu spielen. Auch zeigte sich die verheerende Armut, die die Eishockeyspieler im Vergleich zum Rest der Bevölkerung allerdings nur im Mangel von Ausrüstung ereilt zu haben schien. Denn der Nationalspieler Kim Jong-Ils war nicht an einem Trikottausch sondern an einem Tausch „Hockeyschläger gegen Nationaljersey“ interessiert. Die meisten der Jungs spielten mit Materialien, die noch Made in CCCP waren. Die Kanadier wurden an ihre Kindheit erinnert, als es nicht wichtig war welche Qualität der Schläger oder der Helm hatte, sondern dass man dieses Equipment besaß.

Aber es kam noch zu einem weiteren Match zwischen der PRK-Nationalmannschaft und den kanadischen Reisenden. Diese Partie wurde etwas intensiver geführt und sah jede Menge gebrochenes Holz auf dem Eis. Zumal waren es die kurz zuvor als Tauschobjekt überreichten neuen Schläger der Gäste. Dafür gab es keine Revanche und die Nordkoreaner gewannen mit 6:4. Nur Wochen nach dieser Reise wurde die Grenze zwischen Nord- und Südkorea von Seiten der Kommunisten geschlossen. Die politischen Spannungen nahmen wieder zu.

Ohne den geliebten Führer Kim Il-Sung geht auch im Eishockey nichts zusammen. Der Staatsgründer lächelt in Form eines Portraits über die insgesamt 15 Eisflächen des Landes. Wenn Kim Il-Sung der Legende nach viele Errungenschaften sein Eigen nennen darf, so hatte er den Eishockeysport nicht erfunden. Den brachten in den 50er Jahren, kurz nach dem Waffenstillstandsabkommen, russische Gastarbeiter ins Land. Bereits 1955 wurde die nationale Eishockeyföderation gegründet. Noch im gleichen Jahr startete die Meisterschaft. Es sollte aber noch 18 Jahre dauern, bis sich die Nationalmannschaft erstmals ins Ausland traute um eine WM zu spielen. In der C-Gruppe gab es in sieben Matches sechs Niederlagen. Nur gegen den großen Bruder aus China sollte ein Sieg gelingen. Doch die WM-Teilnahmen sollten unregelmäßig sein und von den Launen des großen und später auch geliebten Führers abhängen. Doch ohne das Ausland ging es nicht. Gelernt haben die Nordkoreaner nicht nur von ihren russischen Gästen sondern auch anderen sozialistischen Bruderstaaten. So war die Junioren-Nationalmannschaft schon schnell in der Lage, zumindest die Nachwuchs-Teams aus Rumänien und Ungarn zu besiegen.

Durch das regelmäßige Fernbleiben bei Weltmeisterschaften konnte sich die Nationalmannschaft kaum mit der internationalen Konkurrenz messen. Die beste Platzierung war ein dritter Platz bei der Division II. WM 2004 und noch mal 2005. Ein Jahr später kam es zum historischen Aufeinandertreffen beider koreanischer Nationalmannschaften in Seoul. Dabei wurden die Auswahlteams gemischt und zwei Spiele ausgetragen. Bis heute ist es die einzige gemeinsame Aktion beider Eishockeyverbände gewesen. Was in Nordkorea selbst passierte, darüber dringt kaum etwas nach außen. Bekannt ist, dass Pyongchol Pyöngyang wohl die erfolgreichste Mannschaft der nationalen Liga ist, die aus sieben Teams besteht

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Nordkorea gegen Südafrika bei der WM 2008. Die Koreaner siegten und stiegen auf.



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